Foto: Künstlerhaus Use Akschen in Bremen

Use Akschen – Wie die drohende Schließung zum Symbol allgemeiner städtischer Verdrängung wird

19.06.2025, Markus Schaedel

Artikel hören: 9.12 Min

Von der ehemaligen Werftwerkstatt zum zweitgrößten Künstlerhaus Deutschlands – die Geschichte von Use Akschen ist eine Bremer Erfolgserzählung.

Doch jetzt, mitten im kreativen Alltag von über 400 Künstler:innen, Musiker:innen und Start-ups, droht der Verlust dieses einzigartigen Raumes. Ein Streit um wenige Zentimeter, Behördenvorgaben und ein stures Nachbarschaftsverhältnis könnten Bremens wichtigste Kulturbrutstätte zum Schweigen bringen.

Bei genauerem Hinsehen deutet die Situation aber auch auf ein anderes Problem in der Kulturlandschaft Deutschland hin, das zum Beispiel auch das Clubsterben betrifft: Gentrifizierung (Wiki).

Use Akschen – Wie die drohende Schließung zum Symbol allgemeiner städtischer Verdrängung wird

Von der ehemaligen Werftwerkstatt zum zweitgrößten Künstlerhaus Deutschlands – die Geschichte von Use Akschen ist eine Bremer Erfolgserzählung. Doch jetzt, mitten im kreativen Alltag von über 400 Künstler:innen, Musiker:innen und Start-ups, droht der Verlust dieses einzigartigen Raumes. Ein Streit um wenige Zentimeter, Behördenvorgaben und ein stures Nachbarschaftsverhältnis könnten Bremens wichtigste Kulturbrutstätte zum Schweigen bringen.

Bei genauerem Hinsehen deutet die Situation aber auch auf ein anderes Problem in der Kulturlandschaft Deutschland hin, das zum Beispiel auch das Clubsterben betrifft: Gentrifizierung.

Ein Ort mit Geschichte

Der Name „Use Akschen“ – auf Plattdeutsch „unsere Aktien“ – geht auf die AG Weser zurück, einst Bremens größte Werft. Wo früher Azubis Metall feilten, erklingt heute Musik. Die ehemalige Lehrwerkstatt am Gröpelinger Hafenkai wurde ab 2013 zum kreativen Biotop: bezahlbare Ateliers, Proberäume, Tonstudios, kleine Unternehmen – auf rund 4.800 Quadratmetern entstand ein Ort, wie ihn Bremen kein zweites Mal kennt.

Initiator Karl-Heinz Kaiser kaufte das Gebäude 2012 und stellte es Kreativen zur Verfügung. Ohne öffentliche Förderung entwickelte sich Use Akschen zu einem selbsttragenden Modell kultureller Zwischennutzung. Heute ist es Heimat von rund 160 Bands, darunter Versengold und Raum27, von Grafiker:innen, Kaffeeröstern, Start-ups – kurz: einem lebendigen Kulturkosmos.

 

Die Krise: Nachbar, Baulast, Bauamt

Seit 2020 steht das Haus unter Druck. Grund: Ein baurechtlicher Konflikt mit einem Nachbarn. Der Abstand zum Nachbargrundstück sei zu gering, sagt das Bauamt – das Künstlerhaus könne nur bestehen, wenn der Nachbar eine „Baulast“ einträgt, also garantiert, seinen Grundstücksstreifen nicht zu bebauen.

Doch dieser verweigert die Zustimmung – oder fordert, laut Eigentümer Kaiser, Bedingungen, die er als Erpressung empfindet: 150.000 Euro, permanente Security, Vorkaufsrecht am Gebäude, Lärmauflagen. Die Behörden dulden den Betrieb – vorerst. Doch ohne Einigung droht die endgültige Schließung. Rund 80 Räume wären betroffen. Hunderte Kreative würden auf die Straße gesetzt. Ein Kahlschlag für Bremens Musikszene.

 

Zentrale Infrastruktur für Bremens Kultur

Use Akschen ist nicht irgendein Künstlerhaus – es ist das größte Proberaum-Zentrum Bremens und eines der bedeutendsten in Deutschland. Musiker:innen wie Eike Otten von Versengold nennen es ein „zweites Zuhause“. Tonstudio-Betreiber Timo Hollmann spricht von einer „Kommune der Musikschaffenden“, in der Bands, Techniker und Produzenten wie selbstverständlich kollaborieren. Pop-Newcomer Raum27 produzieren hier ihre Tourshows, etablierte Acts wie Wirtz oder Anchors & Hearts nutzen die Studios.

Der Senat selbst bezeichnet Use Akschen als „zweitgrößtes Künstlerhaus Deutschlands“. In einer Stadt, in der laut Musikszene Bremen akuter Mangel an Proberäumen herrscht, ist das Haus ein unverzichtbares Rückgrat.

 

Breite Unterstützung – aber keine Lösung in Sicht

Die Kreativszene schlägt Alarm: In einem offenen Brief fordern Musiker:innen und Kultureinrichtungen wie Clubverstärker, Pop Office Bremen und Landesmusikrat den Erhalt. Doch die Stadt verweist auf ihre rechtlich gebundenen Hände: Der Konflikt müsse zunächst unter den Eigentümern gelöst werden.

Gleichzeitig formiert sich öffentlicher Protest. In den sozialen Netzwerken kursieren Solidaritätsaufrufe. Musiker:innen warnen: Wenn Use Akschen wegfällt, wird Bremen als Musikstandort unattraktiv – junge Talente könnten abwandern. „Wenn wir hier raus müssen, wüsste ich nicht, was ich in Bremen noch verloren hätte“, sagt Musiker Lenny Morris. Die Konsequenzen wären nicht nur kulturell, sondern auch wirtschaftlich spürbar.

 

Mehr als ein Gebäude: Symbol für Bremens kreative Zukunft

Use Akschen steht exemplarisch für den Wandel eines Stadtteils – vom Industriegebiet zur Kreativzone. Es ist ein Modell, wie privates Engagement und kulturelle Nutzung Hand in Hand gehen können, ohne große Fördermittel, aber mit viel Herzblut.

Die drohende Schließung ist darum nicht nur ein Verwaltungsproblem, sondern eine Frage von Stadtentwicklung, Kulturpolitik und Zukunftsvision. Was bleibt von einer Musikstadt, wenn ihre Räume verschwinden?

 

Kreative Räume unter Druck – Use Akschen als Beispiel für Gentrifizierung

Die Lage von Use Akschen ist kein Einzelfall. In vielen deutschen Städten geraten gewachsene Kulturorte zunehmend unter Druck – nicht, weil sie versagen, sondern weil sie erfolgreich sind: Wo kreative Freiräume einst als Pioniere in ungenutzte Industrieareale einzogen, folgen heute oft Investoren, Neubauten und steigende Grundstückswerte. Die Folge: Verdrängung durch Aufwertung – ein klassisches Muster der Gentrifizierung.

Was einst als Zwischennutzung begann, wird plötzlich als „baurechtlich problematisch“ oder „zu laut“ bewertet. In Wahrheit geht es oft um Verwertungslogik: Aus einem Proberaum lässt sich kein Gewinn schlagen wie aus einem Bürokomplex oder Mikroapartmenthaus. Kulturelle Nutzung zählt auf dem Papier nicht – obwohl sie das soziale Rückgrat ganzer Stadtteile bildet.

Auch in Bremen ist diese Dynamik zumindest spürbar: Gröpelingen wandelt sich vom Werftquartier zum Kreativstandort – doch mit dem Interesse steigen auch die Konflikte. Das Beispiel Use Akschen zeigt: Ohne politischen Schutz für kulturelle Orte droht ein Stadtbild, das zwar schicker, aber lebloser wird.

Blick über den Tellerrand: Wie andere Städte ihre Kulturorte schützen

Der Kampf um kulturelle Freiräume ist kein reines Bremer Phänomen – doch andere Städte zeigen, dass er nicht aussichtslos ist. Wo politischer Wille auf zivilgesellschaftliches Engagement trifft, entstehen wirksame Instrumente gegen die Verdrängung:

  • Hamburg: Vom Protest zum Eigentum im Gängeviertel
    Als ein Investor das historische Gängeviertel abreißen wollte, besetzte die Initiative „Komm in die Gänge“ 2009 die Häuser. Der Protest war erfolgreich: Die Stadt kaufte das Areal zurück und unterstützt seither eine gemeinschaftlich geführte Sanierung. Heute ist das Gängeviertel ein blühender, bezahlbarer Ort für Wohnen und Kultur – gesichert durch kollektives Handeln und politische Rückendeckung.
  • München: Langfristige Sicherheit für den Bahnwärter Thiel
    Das alternative Kulturzentrum „Bahnwärter Thiel“ auf dem ehemaligen Viehhofgelände war lange nur eine temporäre Zwischennutzung. Als Wohnungsbaupläne die Existenz bedrohten, traf die Stadt München eine wegweisende Entscheidung: Sie setzte die Bebauung des Geländes bis 2040 aus und ermöglichte so eine langfristige Mietvertragsverlängerung. Ein klares politisches Bekenntnis zur Kultur anstelle von maximaler Flächenverwertung.
  • Berlin: Aktive Liegenschaftspolitik mit Erbpacht und Förderprogrammen
    Die Hauptstadt setzt verstärkt auf Instrumente, die den Boden der reinen Marktspekulation entziehen. Mit dem Erbpachtmodell verkauft die Stadt Grundstücke nicht, sondern verpachtet sie für bis zu 99 Jahre zweckgebunden – etwa für gemeinnützige Kulturprojekte zu vergünstigten Zinsen. Zudem sichert das „Atelieranmietprogramm“ gezielt bezahlbare Arbeitsräume für Künstlerinnen und Künstler.
 
 

Diese Beispiele zeigen: Kommunen sind nicht machtlos. Sie können Grundstücke aktiv sichern, Genossenschaften fördern und durch mutige politische Entscheidungen Kultur als festen Bestandteil der Stadtentwicklung anerkennen und schützen.

 

Petition angekündigt: Jetzt aktiv werden

Die Nutzer:innen von Use Akschen bereiten aktuell eine Online-Petition vor, die in Kürze starten soll. Sie ruft die Bremer Politik dazu auf, nicht nur zuzuschauen, sondern zu handeln: durch Mediation, Ausnahmegenehmigungen oder langfristige Sicherung des Hauses. Alle, die für kulturelle Vielfalt, urbane Kreativität und bezahlbare Räume kämpfen wollen, sind aufgerufen zu unterschreiben.

Infos zur Petition werden demnächst über die Social-Media-Kanäle des Künstlerhauses und der unterstützenden Verbände veröffentlicht.

 

Fazit

Use Akschen ist mehr als ein Ort – es ist ein kultureller Organismus, der Bremen mit Leben füllt. Sein Verlust wäre ein Rückschritt für alle, die sich eine kreative, lebendige, vielfältige Stadt wünschen. Es liegt nun an Politik, Verwaltung und Zivilgesellschaft, gemeinsam für den Erhalt dieses Ortes zu kämpfen.

Denn ohne Räume, keine Musik. Ohne Musik, kein Bremen wie wir es kennen.

Kontakt und Updates:

  • Instagram: https://www.instagram.com/useakschen_kuenstlerhaus?igsh=MWF6enVkb2JwbHl5YQ==
  • Petitionsstart: voraussichtlich Juli 2025

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