1 Die Vorgeschichte
Mantar kommt â endlich. Dabei hatten sie es bisher alles Andere als leicht – zumindest seit sie in der Post-Corona Zeit mal wieder auf die BĂŒhne wollten. Bereits im Dezember 2021 wollte das Sludge-Metal Duo im Rahmen einer spontan gebuchten Deutschland-Minitour, nach ĂŒber 2 Jahren Pandemie Pause ein paar Gigs in Deutschland spielen und auch ein bisschen feiern, dass nun alles wieder besser werden wĂŒrde; der erste Gig davon eigentlich im Tower in Bremen. Aber denkste. Zu unĂŒbersichtlich entwickelte sich die Situation aufgrund unterschiedlicher Corona Regelungen und steigender Inzidenzen und die Tour wurde schliesslich auf 2022 verlegt.
Auch das Hellseatic Festival â 2019 von Bremer Musikern und Veranstaltern mit dem Ziel gegrĂŒndet, Bremen wieder zu einem Hotspot harter Musik in Deutschland zu machen, hatte im Vorfeld ausreichend Probleme mit der allgemeinen Pandemie Situation. Gleich das erste, fĂŒr 2020 geplante Festival musste aufgrund der gerade frisch eingetretenen Pandemie nach einigem Hin und Her schliesslich komplett auf 2021 verschoben werden und fand schliesslich im letzten Jahr auch statt.
Passend eigentlich, dass Mantar, die Ur-Bremer bereits sehr frĂŒh als erster Act fĂŒr das 2. Hellseatic 2022 fest standen, auch wenn die gerade wieder mit frischem Absage- und Verschiebe Chaos ihrer 2022 Tour zu kĂ€mpfen hatten â diesmal wegen des neuen Umstands, dass TicketvorverkĂ€ufe (auch allgemein) aufgrund der Unsicherheit Corona/Ukraine Krieg gerade so schlecht liefen, das gebuchte Veranstalter kurzfristig absprangen.
Genervt davon erklĂ€rte sich die Band schliesslich in Social Media Posts auf Instagram und Facebook, sah sich gezwungen einfach mal Klartext zu reden, was hinter den neuen Gigabsagen und Verschiebungen steckte – nĂ€mlich die zur Zeit mangelnde Bereitschaft vieler Konzertbesucher, vorab Tickets zu kaufen â auch wenn man dies aufgrund der aktuellen Situation natĂŒrlich verstehen könne.
Dieser, auf Facebook allein fast 700 mal (!) geteilte Post wurde schliesslich sogar von Musikzeitschriften bzw. Online-foren wie Backstage-pro.de oder Visions.de als Meldung und damit wahrscheinlich dankbares Real-Beispiel der Live Situation 2022 verarbeitet und bewirkte so zumindest etwas öffentliche Diskussion ĂŒber das Thema und die Folgen fĂŒr vor allem kleinere Acts. Keine Frage – diese Zeiten sind ein harter Kampf, sowohl fĂŒr Veranstalter als auch fĂŒr Bands â das sei im Vorfeld angesprochen.
Heute Abend aber kĂŒmmert das aber niemand, denn das 2. Hellseatic findet nun statt. Mit vielen guten Metalbands, ohne viele Coronauaflagen und mit den Ur-Bremern Mantar als wahrscheinlichen Höhepunkt des 2. und letzten Festivaltags.
2 Das Konzert
Das Hellseatic GelÀnde liegt eine knappe halbe Autostunde vom Stadtzentrum entfernt in Blumenthal, auf dem GelÀnde der ehemaligen WollkÀmmerei. Normalerweise ist es eher ruhig hier inmitten des weitlÀufigen, verschlafen wirkenden Bremen-Nords. Doch heute Abend ist irgendetwas anders. LÀrmkaskaden und Gegröhle dröhnen von irgendwo her in den Vollmond beleuchteten Nachthimmel.
Das FestivalgelĂ€nde inmitten des verlassenen FabrikgelĂ€ndes mit einer grossen HauptbĂŒhne und einer kleinen WendeplatzbĂŒhne, ca. 100 m weiter, auf platt gewalztem Sandboden und einzelnen StĂ€nden, wirkt am Tag schon ganz schön trist â Jetzt kurz vor 22.00 Uhr im Dunkeln und dem dezenten Licht ist es schon nicer, aber wen kĂŒmmerts â das Festival war bisher jedenfalls Klasse. Gerade eben noch feierten die ca. 250 anwesenden Fans mit den spanischen Trashmetal-Dudes von Crisix (ext. Website) eine wilde Party mit stagedivendem Abschluss-Gitarrensolo das sein Finale schliesslich in der Mitte des kreislaufenden Moshpits fand â Irre !
Wer von den in GrĂŒppchen herumstehenden Fans jetzt, kurz vor 10 in der Umbaupause einen Blick auf die HauptbĂŒhne wirft, kann zwischen diversen Technikern bereits Erinc beim Schlagzeugaufbau sehen, genau wie einen drahtigen Typen mit hellblauem Hoodie, aufgesetzter Kapuze und Coronamaske, der mal mehr, mal weniger hektisch am Gitarrenset aufbau-organisiert und verstĂ€ndlicherweise nicht unbedingt erkannt werden will. Gleich Zehn..Langsam wirds voll vor der BĂŒhne.
3 Konzertbeginn
Punkt 22.00 Uhr. Das BĂŒhnen Licht erlischt und ein langsamer, eher poppiger Klaviersong mit melancholischer Frauenstimme ertönt aus den Lautsprechern. Im schimmrigen Licht kommen Hanno (Voc/Git) und Erinc (Drums/Voc) auf die BĂŒhne und werden schon mal angejubelt. Jetzt noch schnell die Jacken ausziehen â und los gehts. Der Opener, das Instrumental StĂŒck âBerserkers Pathâ bricht los und verbreitet mit seinen fetten Slow Motion Riffs und der nachdenklichen mĂ€nnlichen Off Stimme, erstes Mantar Feeling.
Hanno und Erinc, auf der BĂŒhne wie ĂŒblich, optisch einander zugewandt wirken fit, gut drauf und in bester Spiellaune. Der Sound ist rund â was nicht unbedingt selbstverstĂ€ndlich ist, immerhin hat man in diesem Jahr mit: einmal Seattle, Bremen Tower und einmal Wacken am Ende gerade mal 3 Gigs hinter sich gebracht. Was auch auffĂ€llt ist, dass eine gewisse âHöllenoptikâ, komplett aus dem BĂŒhnenbild verschwunden ist. Die gekrĂŒmmte Körperhaltung Hannos, und das hingebungsvolle, infernalische Screaming scheinen die einzigen kryptischen Ăberbleibsel zu sein. Der Rest könnte auch als Grunge Konzert durchgehen.
Das liegt vor allem aber auch am Sound. Ich persönlich kenne alle Alben und sehr viele Livekonzerte der Band im Internet, der Livesound hier kommt mir aber durchaus neu und exzellent ausgefeilt vor. Der fehlende Bass muss durch Gitarrentiefe und auch ein gewisses Zusammenspiel mit den Drums ersetzt werden. Um das zu erreichen jagt Hanno seine Gitarre, wie ĂŒblich durch 2 Amps gleichzeitig. Fuzzig tief und doomig breit, wetzt sein Sound im unteren Drehzahlbereich durch die Nacht und vermischt sich mit Erincs wuchtig-opulenten Drumstil zu einem schweren hypnotischem Sound, der die Anwesenden hier bereits nach wenigen Takten in seinen Bann zieht.
Das ist der Rhythmus wo man mit muss..- Die wahre Mantar Magie. Und jedem hier ist klar â hier wird nicht frohlockt: auf Trashmetal-Vibes Lebensfreude zelebriert wie eben noch bei den grandiosen CRISIX. Nein: Hier stehen wir alle, zustimmend kopfnickend im Takt – Mantar vereint alles in Dunkelheit und es ist gut so, denn jeder halbwegs intelligente Mensch weiss, dass die Welt manchmal auch âa very bad placeâ ist. Also mĂŒsste auch jede halbwegs intelligente Musik etwas davon enthalten.
Dieser hypnotische Sound, der auch irgendwie an die Melvins oder die frĂŒhen Nirvana erinnert, wird zum Grundflow des gesamten Sets; bricht nur hin und wieder bei einzelnen Songs (vorwiegend vom DebĂŒt Album âDeath by Burningâ) in los-wetztende, quintige, metalgeshredderte Momente aus, um schliesslich wieder in diesen Mood zurĂŒck zu fallen â Man muss sagen das funktioniert einfach ! Völlig losgelöst hat eine junge Frau ein paar Meter neben mir blank gezogen und tanzt kreischend und fetzend durchs GetĂŒmmel. Thats Rock n Roll !
4 Ansprache
Bei soviel Ankomme hier und nach ungefĂ€hr der HĂ€lfte des Sets kann man da auch schon mal locker mit dem Publikum quatschen. âHallo Bremen !â ruft Hanno nach dem 7.Song mit vom Screaming leicht belegter Stimme und korrigiert sich sogleich: âBremen Nord..! Das gute Bremen.. Das einzige Bremen..!â (Stammen Hanno und Erinc aus Bremen Nord ?) âSeid ihr gut drauf..? Das wollt ich immer schon mal fragen..â ..“..Entschuldigt â wir sehen nur so ernst und verbittert aus weil wir so nervös sind, wir wollen uns natĂŒrlich zu Hause nicht blamieren, aber es scheint zu laufen, also können wir jetzt alle ein bisschen lockerer werden..â…“ Das ist man hier aber heute sowieso. Das Publikum ist sichtlich dankbar fĂŒr die Ansprache und ĂŒberhaupt sehr friedlich heute. Von Stress Einzelner oder Mehrerer fast nichts zu hören oder zu sehen.
5 Zweite KonzerthÀlfte
Und jetzt, da die letzten Reste von eventuellem Eis sich aufgelöst zu haben scheinen, brechen die beiden zum 2.Teil des Sets auf â mit dem ersten Song vom ersten Album „Spit“. Das Songrepertoire heute Abend verteilt sich sowieso auf alle TontrĂ€ger, die Mantar je heraus gebracht haben. Alles was Mantar Format gab, ist vorhanden, ausser âOdysseusâ. Dabei fĂ€llt schon auf, dass melodischere (vorwiegend neuere) Tracks wie z.B. âHang Em low (so the Rats can get Em)â oder âGrim Reapingâ, eine angenehme Abwechslung, in die auf Dauer leicht monoton wirkende Rhythmik von Hannos Screaming bringen. Melodie ist eindeutig gut.
Ebenso die Lichtshow, die farblich individuell an jeden einzelnen Song angepasst ist. Die Idee der Band, zugĂ€nglicher (wenn damit auch kommerzieller) aber praktisch auch abwechslungsreicher zu werden, scheint keine schlechte gewesen zu sein. Das Gegenbeispiel wĂ€re eine hier wohl eine noch extremere Show in eineinhalbstĂŒndigem Dauerflashlight-Gewitter und Zuschauer kurz vorm epileptischen Anfall.
Im letzten Teil der Show gibt es noch ein paar Klassiker inklusive spektakulĂ€rem Bodentreter Solo Hannos â siehe Titelbild. Doch traurig klingt das Schlussakkord (-Geschredder) in Moll, denn das Konzert findet damit allmĂ€hlich, nach schliesslich 17 Songs sein Ende. Man muss sagen, Mantar haben hier heute einfach alles gegeben. Die Show, die fĂŒr eine Stunde angesagt war, dauerte schliesslich anderthalb Stunden. Und es war geil Leute ! Erinc stampft sichtlich kaputt und ohne einen Blick zurĂŒck von der BĂŒhne, Hanno verweilt noch etwas am Boden, bis das Licht ausgeht, die Leute wirken zufrieden und auch die Halb Nackte hat sich wieder angezogen (ist auch echt kĂŒhl jetzt..) und wirkt nach dem Rausch etwas peinlich berĂŒhrt. Das war Mantar 2022 beim Hellseatic.
6 Outtro
Trotz – oder vielleicht gerade wegen der relativ wenigen Leute hier, hatte der Gig seinen individuellen Reiz. Es hat schon etwas Intimes, diese so populĂ€re Band so nah zu erleben – etwas von Rocker-Seyance oder âam Lagerfeuer singenâ. Und Onkel Hanno und Onkel Erinc erzĂ€hlen mit ihren Sounds alte und neue Geschichten die irgendwie voller Wahrheit sind und alle hier hören gebannt zu. Very good.
Das Hellseatic 2023 wird es nicht geben, weil die aktuelle Lage und die daraus resultierenden Vorfinanzierungsoptionen, es nicht möglich machen werden â allein schon deshalb war es toll, diesen Moment festzuhalten.
Der Hellseatic Crew, und natĂŒrlich der Band, sei gedankt. Die UmstĂ€nde sind hart aber es macht keinen Sinn zu resignieren. Und auch wir wollen das nicht tun und hier optimistisch bleiben. Die Leute selbst können es ja Ă€ndern. Wenn man solche Konzerte in Zukunft erleben will, sollte man das einfach ernst nehmen und sich ab und zu mal ein Ticket kaufen. #Geht mehr auf Konzerte ! Ich bin mir zumindest sicher, wer heute Abend hier war, wird dieses Konzert bestimmt nicht vergessen.
Video: Mantar beim Hellseatic 2022 – von Thomas Samel