Foto: Sascha Schröder

Konzertbericht: PHANTOM BAY – BdP Haus Bremen

15.10.2023, Markus Schaedel, Lesedauer: 8 Min

Am 15. September 2023 spielten die Melodic Hardcorer von Phantom Bay zusammen mit Between Bodies und TI:ED im BdP Haus Bremen

Intro

Ich mag diese selbstverwalteten Aktions- und Kommunikationszentren wie z.B das Alhambra in Oldenburg oder das BdP-Haus in Bremen; nicht nur weil sie so viel Subkultur ausstrahlen sondern einfach weil sie ein Teil der sozialen Infrastruktur repräsentieren. Dass sich Menschen selbstlos für Andere engagieren gehört eigentlich zum gesellschaftlichen Selbstverständnis, aber bei genauerem Hinsehen fällt auf, dass es im Allgemeinen gar nicht so viele Institutionen gibt (Konfessionsgebunden oder nicht, staatlich gefördert oder nicht), die sich in der Form engagieren.

Das vom Bund Deutscher Pfadfinder initiierte Jugendhaus ist ein 100 Jahre altes knarriges, spartanisch eingerichtetes Gebäude mit Wohnzimmer-großen Räumlichkeiten, vollgekritzelt und beklebt mit alternativem und Antifaschistischem; es lebt natürlich vom Engagement seiner freiwilligen Helfer und dient für verschiedenste Aktivitäten junger Menschen, wie Workshops, künstlerische Projekte, Bandproben oder Konzerte.

Und heute spielen hier nun also die Melodic Hardcorer Phantom Bay, zusammen mit ihren KROD Records Labelkollegen von Between Bodies. Ausserdem noch TIED, eine junge Hardcore Band, ebenfalls aus Bremen. Organisiert wurde das alles über ein Netzwerk das aus den heute auftretenden Bands und ihrem Umfeld entstanden ist.

Phantom Bay selbst gelten, da es zuletzt wieder in Mode gekommen ist Oldschool Hardcore in alle möglichen Richtungen um zu modellieren als einer der wenigen Vertreter deutscher Zunft, die mit den sich in den letzten Jahren etablierten US-amerikanischen Combos wie Turnstyle, Miss Paint oder Military Gun, mithalten können.
Dem selbst betitelten Debüt Album von 2021 folgte erst vor ein paar Wochen das Release der EP „Underground“ – also ist dieses Konzert sozusagen eine Release Party, gleichzeitig aber auch der Auftakt ihrer USA-Ostküsten Tour, die sie durch Städte wie Cambridge, New York, Philadelphia, Charlotte, Charlston und schliesslich Gainesville zum legendären Punk Festival ´ The Fest´  führen wird. So gesehen hätten sie also eigentlich genug Gründe hier heute wenigstens ein bisschen aufgeregt zu sein.
Sind sie aber nicht. Weder Sänger Michael der hier, während drinnen in den Vor-Räumlichkeiten die letzten Leute eintrudeln, noch in aller Seelenruhe am Merchandising Stand Poster akkurat auf Linie schiebt und dabei trotzdem alles zu registrieren scheint was drum herum so abläuft, noch Drummer Yannik, der herzlich Foto Mann Sascha Schröder begrüßt – man kennt sich – wirken hier irgendwie angespannt. Einfach ein netter Spät Sommer Abend am Hülsberg – Bieratmo zwischen Tischfussball und spartanischem Punk Ambiente.
„Das wird gleich lustig da drin“ bemerkt Sascha Schröder: „der Raum in dem das Konzert stattfindet, ist auch nicht viel größer als dieser hier „ (gerade mal ein paar Meter mal ein paar Meter). Naja..Jugendhaus eben. Und so ist es dann tatsächlich auch. In dem komplett abgedunkelten Raum in dem nur spärlich grell bläuliches Bühnenlicht eingeschaltet ist, steckt dazu noch die Demse der letzten Tage der Hitzewelle; dazu kommt dass es gegen Acht nun auch offiziell ist: das Konzert ist ausverkauft – Das heisst, das wird wohl eine schweißtreibende Sache hier drinnen.

Fotogalerie: „BDP Haus“

Fotos: Sascha Schröder

TIED

TIED aus Bremen, die von Phantom Bay selbst eingeladen wurden und gegen 20.30 den Abend eröffnen beschreiben ihren Sound als eine Mischung aus Hardcore und anderen Genres. In ihren Songs verarbeiten sie allgemeine soziologische Themen, wie zum Beispiel die Schwierigkeit gesellschaftlicher Einordnung des Einzelnen.
Die ein zwei Demo Aufnahmen die ich vorher im Netz gefunden habe, hatten mich ehrlich gesagt erstmal nicht unbedingt umgehauen: noch etwas unfertig, doch was sie heute hier abliefern überzeugt dafür umso mehr. TIED sind definitiv ein kleiner Tip des Abends.
Schwere metallische Riffs grooven, ähnlich wie bei Rage Against the Machine oder Hardcore Bands wie Black Flag, darüber liegt die, eher ins Emotionale abdriftende Stimme von Sänger Siebo – das alles passt zusammen und wirkt höchst aufrichtig. Tied verzichten auf die rein aggressive Note des Hardcore. Ihre Songs kommen dadurch  ehrlicher, weil auch irgendwie verletzlich rüber.
Das Publikum feierts, groovt von Beginn an mit und das obwohl in dieser Sauna schon nach 10 Minuten der Schweiss schon fast von den Instrumenten tropft. „Wir spielen jetzt noch drei Songs“, sagt Sänger Siebo nach ca. 10 Minuten und man wundert sich doch denn das Ganze hat doch gerade eben erst angefangen. Aber so ist das heute hier mit diesen Melodic Hardcore Bands; Kurz aber intensiv.
Tied spielen am Ende eine halbe Stunde und man muss sagen, sie haben überzeugt. Ihr bereits gemastertes Debütalbum liegt derzeit noch release-bereit bei Sunsetter Records, wir werden auf jeden Fall ein Auge drauf haben.

Fotogalerie: „TIED“

Fotos: Sascha Schröder

Between Bodies

Die zweite Band des Abends sind Between Bodies aus Paderborn, Köln und Toronto und ebenfalls aus dem Hause Krod. Es scheint so als ist man dort geprägt vom Emo Punk der Nuller und 2010er Jahre – ihr Debüt Album „Electric Sleep“ (2019) lies ebenfalls die D.I.Y. Punkszene aufhorchen, bestach überzeugend durch seinen tiefgründigen und abwechslungsreichen Emo Punk.
Genauso auch heute: aus mollastigen Schwebe-Gitarren Sounds mit Keyboard-Orgel-Sounds untermalt, werden emotional ausbrechende Punk Rock Songs – der zweistimmige männliche und weibliche Gesang darüber trägt die Melodien und sorgt für eine verspielte und atmosphären-erfüllte Stimmung.
Betweens Sound hier ist dynamisch, einfach gut gespielt – mir persönlich fehlt für die Note „Emo“ etwas der Tiefgang der Songs, irgendwie bleibt alles an der Oberfläche – auch die Gesangs Melodien wirken nach und nach etwas vorhersehbar.
Ungerechterweise gibt es nach ein, zwei Songs auch noch kleine kleinere Probleme mit der Gesangsanlage, was dazu führt dass sich das Melodische des Gesangs durch eine gewisse Unsicherheit nicht mehr so recht einrucken will. Und so platzt nach und nach irgendwie die Blase des Melodischen als tragendes Element der Songs. Übrig bleibt das rockig – wütende der Punk Gitarren Sounds und die atmosphärische Stimmung, die trotzdem mitreisst.
Auch Between Bodies spielen ein halbe Stunde, haben ihre Qualität als Band absolut bewiesen,  auch wenn es heute gegen Ende technisch etwas verhuscht ist.

Fotogalerie: „BETWEEN BODIES“

Fotos: Sascha Schröder

Phantom Bay

Als Phantom Bay beim Soundcheck sind, frage ich mich noch ob ihnen so etwas auch passieren könnte, aber irgendwie glaubt man doch an einen gewissen Perfektionismus wenn man sich mit der Band befasst hat.
Kurz ein paar Songs angespielt, die Gesangsanlage spinnt hier und da auch noch leicht, verlässt die Band schliesslich nochmal die Bühne und Siebo von Tied kommt noch mal herein um – warum auch immer – (Mikrotest ?) zwei Songs deutscher Hip Hop Kultur aus eigener Feder und Hintergrund Mood vom Band zu performen.
Zwar treffen die Texte, schlagwort-technisch den Nagel der Zeit voll auf den Kopf, aber so recht hören will das hier doch gerade niemand, erst recht da die meisten hier wohl schon angenommen hatten, der Phantom Gig hätte nach den angespielten Songs bereits angefangen. Naja – wenigstens haut das Mikro jetzt hin.
Um 22:30 Uhr legen Phantom Bay schliesslich los. „Airtight“, der wohl neueste Song von ihrer aktuellen EP „Underground“  ballert von der Bühne. Die Band wirkt von Beginn an  entschlossen und ziemlich energiegeladen. Gerade bei den ersten drei Songs hat man wirklich Mühe, optisch alles zu erfassen was hier so passiert, so viel ist hier los an Gewusel und Bewegung auf der kleinen Bühne.
Sänger Michael, voll aufs Brüllen konzentriert schaukelt, stampft, gibt gesanglich alles – das eigentlich gefühlsbetont-dynamische Gitarre Spiel scheint dabei vollkommen nebenher abzulaufen.
Mark, Gitarrist steht dem in nichts nach – beide können durch ihr Spiel Atmosphäre erzeugen, auch ganz ohne Effekte wette ich. Mark wirkt beim grooven dabei vor allem innerlich hörend tief in sein Spiel versunken harmoniert fast unzerhörbar mit Michael, genau wie auf den Studio Aufnahmen.
Bassist Laurin feuert frequentierte Bass-Bojen in die Zwischenräume – auch sein Spiel ist am Ende harmonischer als es vielleicht aussehen möchte. Über allgemeine Basser Klischees scheint er sowieso erhaben zu sein. Ruhepol der Band ? Wohl eher Unruhe-Pol: er hüpft, springt, gestikuliert, macht Ansagen immer im intensiven Blickkontakt mit dem Publikum – eindeutig der Agilste der Truppe.
Bei soviel Einsatz von Beginn an wundert es nicht, dass das Energielevel der Band in dieser Sauna nach dem ersten drei Songs etwas zumindest etwas abfällt. Drummer Yannik ebenfalls 100-prozentig unter Strom, steht schon nach dem zweiten Song die Erschöpfungsröte ins Gesicht geschrieben – auch kein Wunder hier drinnen. Die Band merkt das aber und lässt ihm hier und da mal Pausen um durchzuatmen. Er dankt es ihnen indem er umgehend wieder wie ein Berserker auf die Felle eindrischt. Melodic Hardcore ist eben kein Alt-Herren Job.
Für den Bay Livesound ist das alles notwendig, obwohl es klar ist, dass hier sowieso viel getüftelt worden sein dürfte. Von den tiefsten Tiefen bis zu den höchsten, singenden Tube-Screamer-Feedback Höhen ist das alles einfach wie ein atmendes wuchtiges Lebewesen. Hohe Dichte, viel Intensität durch gefühlsbetontes Spiel aller Beteiligten. So muss es sein.

Fotogalerie: „PHANTOM BAY“

Fotos: Sascha Schröder

Songtechnisch bieten Bay fast alles was sie in den letzten 2 Jahren veröffentlicht haben, plus ein zwei Songs, die mir überhaupt nicht bekannt waren.
Ich weiß nicht ob es wirkliche Highlights gibt: Bullet, No one likes, Airtight, Collective Decline sind alles gute Songs, die letzten von der aktuellen EP vielleicht nicht mehr so abwechslungsreich wie auf dem Debüt, aber das stört hier niemand, denn es fetzt einfach durch den Saal.
Der einzig ruhigere Song ist „Nachtgedanken“ ein melancholisch relaxter Song – hier heute ohne das darüber interpretierte Gedicht – lässt Drummer Yannik nochmal eine geplante Verschnaufpause.
Nachdem Bassist Laurin in einer kurzen Ansage offiziell und öffentlich festgestellt hat, das dies ja für eine Bremen based Band eigentlich erst der erste Gig in Bremen ist, beschliesst Sänger Michael dem ersten Stagediver hier die Debüt LP zu schenken..“Das machen wir immer so. Also wer traut sich beim nächsten Song ?“
Eine der beiden jungen Frauen, die direkt neben mir stehen wagt den mutigen Sprung vom seitlichen Fensterbrett in die Menge..Alles gut, gefangen, ein bisschen herumgetragen und bitteschön: eine LP gewonnen.
Vor dem letzten Song bedankt sich Michael nochmal bei den Helfern ohne die das hier nicht möglich gewesen wäre und das vollkommen angemessen. Super Gig in netter jugendlich-unkomplizierter Atmo hier.
Bei „Quit play in the Blues“ gibt’s nochmal volle Energie: Ich bin leider kurz etwas abgelenkt und habe so leider nicht mitbekommen, mit wie Michael es geschafft hat von der Bühne aus samt Gitarre ins Publikum zu Stagediven – aber er wird plötzlich irgendwie über meinen Kopf hinweg getragen – wirkt nach Wieder Eintreffen auf der Bühne doch mal richtig gelöst und das war’s dann hier heute schon. Auch nur ne halbe Stunde. Keine Zugaben. Kommt gut nach Hause und Tschüss.
Zum Schluss muss man zwei Dinge feststellen: 1. in Jugendhäusern lebt der Untergrund (einer von zwei wichtigen Gründen – der andere stand oben im Text – solche Institutionen zu fördern) und 2.: Bay sind definitiv ready für ihre USA Tour. Und obwohl den Amis ja immer eine gewisse Launichkeit nachgesagt wird, wenn es um Bands geht, meine ich: wenn das hier nicht mitreißt verstehe ich die Musik-Welt nicht mehr. Bay sind alles Freaks, dynamisch, talentiert und voll bereit. Sie haben sich hier als Einheit präsentiert, die die Unbeschwertheit ausstrahlt, zu sagen: Wir machen unser Ding, egal was alle davon halten mögen.
Auch wenn ich mich etwas wundere, das am nächsten Tag emotional nicht viel hängen geblieben ist, glaube ich, dass,  wenn sie es schaffen, dass sich das Publikum mit ihnen als Einheit fühlt, sie sehr weit kommen können. Man wird sehen. Nach der USA Tour werden sie wohl mehr wissen.

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