Konzertbericht: WEZN bei „Einfach Kultur 2022“ in Oldenburg
04.09.2022, Markus Schaedel, Lesedauer: 5 Min
Dieser ganz normale Donnerstag Abend ist wirklich ein Sommerabend wie er schöner kaum sein könnte, hier im altstadt-erahmteng Bahnhofsviertel in Oldenburg, wo es, vielleicht mal abgesehen von Kulturorten wie dem Alhambra oder dem Cadillac, noch die letzten Ecken der Stadt gibt, die so etwas wie subkulturellen Charme ausstrahlen.
Keine 200m vom Hauptbahnhof, kurz vor dem Eingang zur „Kulturetage“ liegt die Auffahrt zum „Einfach Kultur“- Open Air Gelände, einer Oldenburger Initiative, die sich 2020 nach seinem öden ersten Lockdown Frühling gegründet hatte, um den Leuten zumindest irgendwie (nämlich draussen) ein paar Live Konzerte zu bieten. Das Gelände an sich ist eigentlich nichts weiter als ein kahler Hinterhof, umschlungen von tristen Altbauten mit karg gepflastertem Boden. Immerhin zwei hölzerne Getränkestände sorgen für einen Hauch von Ambiente hier, aber zumindest sind die Eintrittspreise mit ca. 25 EU für 3 Bands, die von 19.00 bis 23.00 Uhr spielen sollen, doch sehr human gestaltet.
Während die ersten Leute eintrudeln (vorwiegend Frauen zwischen ca 25 und 40 J. plus ein paar Studenten-innen) beginnt die erste Band des Abends „Johanna Amelie“ aus Berlin mit ihrer Mischung aus süsslich melancholischem Berlin-Pop mit deutschen Texten. Das klingt auch wirklich nice, ist aber leider mit etwas wenig Confidence vorgetragen – was ihn gefühlt noch leiser macht. Vielleicht ist das der Grund, warum die Leute hier noch nicht so recht bereit für die 3 sympathischen Leute werden wollen. Vielleicht sind die meisten aber auch einfach nur her gekommen um fette Beats zu hören.
Paul Richter checkt kurz die Atmo vor der Bühne und auch Maischa Perdelwitz wird schon mal gesichtet, wie sie mit nem Weinglas vom Getränkestand durchs Publikum zum Backstagebereich huscht. Kurz darauf sind „Johanna Amelie“ mit ihrem Set durch; wirken etwas ernüchtert ob des zaghaften Feedbacks der Leute auf dem inzwischen halbvollen Hof der sich mehr uns mehr füllt– dabei waren sie doch gut, nur schlicht zu wenig präsent und irgendwie zu leise.
WEZN (Website) die um kurz nach Acht die Bühne betreten sind da vom Fleck weg um Einiges lauter. Ihr Opener, der Gender Gerechtigkeits Song „You´re Right“ lässt Bassdruckwellen im Magen wummern und mit seinen wobenden Synth-Klangteppichen klar werden, dass Wezn-Musik live genauso „rund“ sein wird, wie als Audiofile. Insgesamt wirken alle Stücke on Stage sogar noch etwas beat- lastiger und tanzbarer.
Dabei ist das WEZN Live Equipment ziemlich minimalistisch gehalten. Paul hat die Bassdrum seines Jazz Drum Kits durch ein E-Drum-Element ersetzt, dessen Bass wohl kaum ein DJ fetter gestalten könnte. Maischa begnügt sich mit einem Keyboard/Synthesizer, in Abwechslung mit einer E-Gitarre, die aber eher für harmonischere Synthsounds in ruhigen Momenten gedacht ist. Sie performed vorwiegend stehend und dem Publikum zugewand – (nicht wie man vielleicht annehmen könnte, in Tasten-Singer-Sonwriter Manier am Keyboard sitzend). Ihr Gesang erinnert dabei stellenweise mal etwas an Celine Dion, dann wieder eher an Enya oder an Vorbilder wie London Gramma. Mit meist geschlossenen Augen wirkt sie bei jedem Ton voll konzentriert und tief versunken in den eigenen Gefühlswelten. Gelegentliche Gesten oder der auch mal notwendige „Tanz“ mit den Boden-Effektgeräten ergänzen ihre Performance.
Nach dem 2. Song folgt eine kleine „Jetzt-kommt-alle-erstmal-n-bisschen-näher-an-die Bühne-und-steht-da-nicht-so schüchtern-rum-Runde“ Alle müssen in die Hocke gehen und mal kurz aufspringen was die Stimmung tatsächlich auflockert. Überhaupt ist es schon komisch wenn man Leute nur aus dem Internet kennt und ihnen dann persönlich begegnet. Eigentlich hätte ich z.B. Maischa – als eher unnahbaren und ruhigeren Typ eingeschätzt – doch ihre offene, fast etwas kokettierende Publikumsansprache belehrt mich eines Besseren. Während „White Roses“ mächtig vor sich hin grooved hat man nach der ersten Viertelstunde das Gefühl, dass die Leute hier mehr und mehr auftauen.
Ein kleines Highlight ist der Song „Meet me in the Middle“, einfach weil er ein sehr persönliches Thema Maischa´s behandelt über das sie hier sehr offen redet.
Sie hatte auch vorher, z.B. in den sozialen Medien, in Bezug auf sich selbst, nie einen Hehl aus dem Thema Depression gemacht. In Bezug auf evtl. Isolationsgefühle, richtet sich die Botschaft des Songs an ihre Nächsten: „Trefft mich dann einfach in der Mitte“.. – Respekt. Nicht jeder redet öffentlich so offen über dieses Thema, was eigentlich nicht schaden würde – immerhin geht es Vielen ab und zu so. (Zum Beispiel hat so eine Phase auch bei diesem Autor einmal die Idee zur Gründung dieses Magazins mit sich gebracht.) “Meet me in the Middle“ ist ein relaxter, angenehm-harmonischer Song ohne viel Beats und vorwiegend mit Gitarre.
Nach dem wuchtig wirbelnden „Mountain Side“, der zumindest auf Spotify populärste WEZN Song, ist das Eis beim Publikum dann endgültig gebrochen. Die Beats scheinen auch den letzten hier erfasst zu haben und so tanzen man relaxed vor sich hin, in dieser chilligen Sommerabend Atmo.
Bei WEZN läufts einfach und auch 2022 ist man schon einige Zeit auf Tour. 13 Gigs haben die beiden 2022 schon hinter sich, angefangen im April beim c/o Pop Festival in Köln und man ist inzwischen bestens aufeinander abgestimmt. Kleinere Unebenheiten im Zusammenspiel – wie noch auf ersten Handyvideos vom Anfang der Tour, die eben zunächst passieren, sind inzwischen längst ausgemerzt und heute Abend absolute Fehlanzeige.
„Lonely Garden“der letzte Song funktioniert live ebenso wie seine 8 Vorgänger hier heute und dreht mit seinen breiten moll-lastigen Keyboard-Synths und den ballenden Beats bis zum Höhepunkt noch mal richtig auf: Finale Grande.. bis zur Selbstauflösung irgendwo im Nirwana moderner Discosounds – grossartig.. Konzert gelungen. Zugabe ? Doch..! Oder ? Maischa kommt nach dem Schlussakt nochmal kurz allein auf die Bühne zurück – immernoch etwas verlegen wirkend wegen der Woge der Begeisterung beim Schluss Applaus gerade und gibt zu..“Wir würden ja gern noch einen Song spielen, geht aber nicht…“ (Sperrstunde) ..“aber ich komm jetzt noch ein bisschen zu euch tanzen.“
Fazit: Nochmal Respekt. Was WEZN hier abgeliefert haben war bewegend,weil professionell und vor allem so aufrichtig. Wezn sind für mich ein Teil der aktuellen kulturellen Zeitachse. Sie sind mitten drin – emotional und geistig. Sie geben zwar keine Antworten auf grosse aktuelle Fragen – sie stellen aber mit ihrer Musik eine äusserst wichtige die jede junge Generation auf alle vorher gegebenen Antworten stellen muss. Diese Frage heisst Sehnsucht. Ohne Sehnsucht keine lebenswerte Zukunft, weil keine vernünftigen Träume davon. Und die erfassen alles. Nebenbei beweisen WEZN, dass man auch in jungem Alter als Künstler authentisch rüberkommen kann, wenn man der Welt etwas wirklich mitzuteilen hat. Wenn Maischa in tekkno-stylisch angehauchten Klamotten von der Bühne abgeklärt über „Mental Issues“ spricht und danach solche Songs mit solcher Hingabe singt, ist das so echt, so authentisch (und bewegend), wie etwas hier und jetzt nur sein kann. Denn so ist 2022 – ohne Klischees.
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