Als MÖRSER 1997 ihr Debüt-Album „Two Hours to Doom“ heraus brachten, galten sie aufgrund ihres neuartigen, schlauen Mix aus Grindcore, Hardcore und Metal als eine Band die ihrer Zeit voraus war. Jenes brutale Noise-Geballer, der damals 8-köpfigen Formation, das dem Hörer nichts als die dunkelsten Charakteristika des Hardcores und Metals in den Schädel zu hämmern schien, ist seither als ´Bremencore´ bekannt. Ende Dezember 2021, nach inzwischen 26 Bandjahren und 4 weiteren Longplayern, meldeten sich Mörser mit ihrem 6. Album „Thank you for Leaving“ zurück. Grund genug, mal zurückzuschauen.
Anfang der 90-er
Bremens Punk- und Hardcorebewegung in den 19-90-ern war europaweit bekannt. Die 80-er hatten eine aktive Szene hinterlassen, die sich im Grunde politisch verstand, dabei aber unterschiedlich stark engagiert war (von gar nicht bis extrem) und u.a. in Locations wie der „Friese“, dem Wehrschloss oder Grünenstr. 18, bei oft selbst organisierten Konzerten die Sau raus liessen.
Immernoch im Hinterkopf waren zwar die oft gewalttätigen Rechts-Links Fehden der 80-er, die vor allem auf Konzerten immer wieder ein leidiges Thema gewesen waren, aber nun, am Beginn der 90-er verliefen die Konzerte schon wieder etwas friedlicher, immerhin stage dive-te nun auch schon mal der ein oder andere Normalo im Party Modus mit von den Bühnen.
Eine der auffallendsten Formationen dieser Tage war sicherlich ACME, gegründet Anfang der 90-er, die bis heute als eine der einflussreichsten Hardcorebands überhaupt gilt. Die 4 Leute (Voc, Git, Bass und Drums, deren Durchschnittsalter damals noch unter 20 J. gelegen haben dürfte, bestachen nicht nur durch die Intensität und Geschlossenheit ihres Hardcoresounds, hinzu kam der ACME-typische extreme Gesang der heute im Hardcore Gang und Gäbe ist. Eine weitere Innovation, die wohl auch den letzten Fan harter Musik für ACME begeisterte war die Tatsache, das sie ihren Hardcore auch mit Metal-Riffs mixten – was Anfang der 90-er ebenfalls absolut neu war.
Und wie es so ist, wenn etwas Neues entsteht, hat sich auch schnell ein Begriff dafür gefunden. In diesem Fall lautete er „Bremencore“ auch wenn es länger dauern sollte, bis er sich etablierte. Acme hatten ihn entwickelt und nicht wenige Andere sollten davon inspiriert werden.
Auch Mörser gündeten sich in jenen Tagen Mitte der 90-er. Sie setzten sich aus Mitgliedern verschiedener Bremer Punk- und Hardcorebands (u.a. Systral, Minion, Carol, Metöke und Assay) zusammen.
CAROL war (und ist) neben Minion eine Hardcoreband die ebenfalls zu den bekannteren gehörten und innerhalb der Szene sogar bis in die USA eine Fangemeinde hatte.
Angeblich bei irgendeinem Sauf Abend fragten sich Matthias Trenne /´Matze´(Bassist von CAROL), Björn Schmidt (Voc. bei CAROL ) und Daniel Grabowski /´Grabi´, wie man die Summe der Teile der eigenen Kracherfahrungen evtl. in ein noch fulminanteres Ergebnis ummünzen könnte.
Die 3 beschlossen, gemeinsam ein neues Projekt zu gründen um so ihrem Ziel:„so schnell und extrem wie nur möglich zu spielen“ näher zu kommen.
Der Bandname für das Projekt stand mit ´Mörser´ auch unspektakulär schnell fest und wurde bei der Gelegenheit wahrscheinlich auch gut begossen.
Wie sich später herausstellte, stellen sich ungefähr im selben Zeitraum Sven Nienaber (Git. bei Minion) und Andre Wendelken (Drums bei Carol, Minion) die annähernd gleiche Frage und auch sie hegten schliesslich die Idee, für die Neugründung eines Projekts für ihre noch extremeren Musikvorstellungen.
1995-1999 Gründung und Debüt Album
Am 6. November 1995 fand sich schliesslich die inzwischen noch leicht angewachsene Formation zur ersten offiziellen Mörser Probe in der „Friese“ ein. Das Line up war schon ungewöhnlich denn die Combo bestand aus nun 8 Leuten – davon 4 (!) Sänger (bzw. Growler), 1 Gitarrist, 2 Bassisten und einem Drummer. Gitarrist dieser ersten Stunde Sven Nienaber erinnert sich: “Wir hatten von Anfang an das Ziel die extremste, härteste Band in dieser Reihe (Der Bremencore Bands der 90-er – Anmerkung) zu sein. Um das zu erreichen haben wir einfach so viele Sänger gecastet wie möglich. Die Gitarre hatte disharmonische Riffs, ohne dabei auf technische Verspieltheit zu setzen, sondern es sollte kraftvoll und gleichzeitig böse und wütend sein. Dazu noch 2 maximal verzerrte Bässe, plus das für damalige Verhältnisse irre schnelle, aber doch moshende Schlagzeug, ergab eben einen Mix, der erstmal alles wegpustete.“
Dabei hatten die verschiedenen Musiker unterschiedliche Vorstellungen, was sie sich unter extremer Musik vorstellten. Die vor allem beim ersten Album allgemein gelobte Kreativität, so S. Nienaber: „..war eher etwas, was sich ergab aufgrund der vielen verschiedenen Charaktere in der Band. Wir sind nicht wirklich mit dem Anspruch in dem Proberaum gegangen, unglaublich kreativ zu sein. Hart, extrem und anders war da schon eher der Anspruch.“ Und dazu orientierte er sich für seinen Gitarrenpart z.B., neben allgemein bekannten Hardcore Acts und Bremer Formationen wie ACME, Systral oder Carol, z.B. auch an Horror-, am „Alien“-Soundtrack oder auch ´The Prodigy´. Matze, eine er der 2 Bassisten u.A. an Depeche Mode Sounds. Für André (Drums) waren zB. ´CARCASS´ ein Vorbild. Und für das Walzende hat ´BOLT THROWER´ wohl einen wesentlichen Anteil“ .(..) „.. Und den Sängern blieb ja, bei dem Ziel aggressive Musik zu machen, nichts anderes übrig als zu schreien oder zu graulen..“ resümiert S.Nienaber weiter: „Bei 8 Leuten und dermaßen bunten Inspirationen mit den gemeinsamen Ziel, alles möglichst brutal zu spielen, hat dies zu diesem einzigartigen Sound geführt.“
Diese kreative Euphorie die eindeutig in der Luft lag, befähigte die Band dazu, innerhalb von nur einem Jahr, so 22 energiegeladene aber auch komplexe Songs auszutüfteln, auch wenn diese, wie im Grindcore üblich, kaum länger als eine Minute waren. Für die die Aufnahmen des Albums gab es zu dieser Zeit eigentlich auch nur einen geeigneten Ort, eine Institution der Szene, die Kuschelrockstudios in Schwanewede. Dirk Kusche, Gründer und Produzent (und Bassist bei Systral) produzierte das Album auch und verlieh dem charakteristischen Mörser-Sound den letzten Schliff.
Das Ergebnis der Tüftelei war das Debüt Album „Two Hours to doom“ (VÖ 1997) und das versprühte nicht nur die Euphorie der Band, sondern setzte neue Masstäbe in der Hardcore Punk-welt. Die Kritiken lobten z.B. Mörsers Selbstverständlichkeit, bekannte Standards zu überwinden, die technische Raffinesse die dafür notwendig ist und die Tatsache, dass die Explosivität der Sounds trotzdem gewahrt blieb. Innerhalb der Szene war man ebenfalls begeistert: „Two hours..“ war scheinbar eine erhoffte Steigerung, des üblicherweise primitiveren Hardcore Sounds – zumindest war es etwas Aufregendes Neues das daraus resultierte.
Die Bezeichnung „pure fucked up war Music“ stammt übrigens auch aus dieser Zeit, nach dem Erscheinen des Debüts, wie Sven Nienaber erklärt: „Der Begriff kam auf, als wir merkten, dass uns vor allem in Interviews immer wieder gefragt wurde, was wir denn nun für Musik machen. Wie gesagt, der Mensch braucht Definitionen. Es war auch das Genre Bremencore noch nicht etabliert, begann sich gerade erst in der Szene zu verbreiten und war bei uns selbst auch noch gar kein Begriff. Also haben wir unseren Sound einfach bildlich beschrieben, statt uns einem Genre unterzuordnen oder ein neues Genre aufzumachen. In keine Schublade zu passen ist großartig. Warum sollte man sich dann selbst eine Bauen?“
Wo wir gerade bei Begriffen sind: Der markanteste, den man im Zusammenhang mit Mörser eigentlich fast immer hört, ist wohl:“Fuck you, I´m with Mörser !“ Ich habe mich schon oft gefragt, wie der wohl entstanden ist. Und auch das weiss S.Nienanber noch sehr gut: „Der Spruch ist eine rip off Antwort auf ein Shirt design von Black Sabbath, wo in selber Schriftart drauf stand „listen to Black Sabbath!“. Die Vorstellung einen Black Sabbath Fan neben einem Mörser Fan in diesen Shirts zu sehen, ist einfach zu gut.“ Originelle Konstellation: In diesem Sommer (2021) war in Bremen rund um das Überseefestival übrigens auch hier und da der durchaus Mörser-Kult- gemeinte Spruch „Fuck Mörser, I´m with Nirvana !“ auf T-Shirts zu lesen.
2000 – 2015
Gepusht von dem Erfolg des Debüt Albums folgten in den nächsten Jahren 2000- 2015 Jahren dann u.A. das zweite Album „10.000 bad guys dead“ (1999) das seinem Vorgänger in nicht Vielem nachstand, sowie eine kurze USA Ostküsten-Tour (1999) u.A, durch Chicago und Philadelphia – was den den Connections Ihres damaligen Labels Per Koro Records zu verdanken war. Die Abstände zwischen den Alben der nächsten Jahre: Pure Scum (2006) und 1st Class Suicide (2010) wurden zwar grösser, zumindest im Vergleich zur extrem umtriebigen Anfangsphase – die Fans blieben aber auch von den nächsten Alben begeistert, wie sich lesen lässt. Zwar rümpfte der ein oder andere Rezensent schon mal mit Begriffen wie „Nachlassen“ (im Vergleich zu neuen aufkommenden Nachfolge-Bands) sein Näschen, doch spätestens beim fünften Album „V“ (2015) schien auch die Kritikerschaft wieder zufrieden.
2020 – Hellseatic Videolized
Und dann kam Corona. Mitten im öden Lockdown-Dezember 2020 fanden sich Mörser, in der ´Spedition´ in Bremen ein um hier einen Live Stream Gig aufzuzeichnen – was in diesen Zeiten durchaus nicht unüblich war. Initiiert war das Ganze von den Machern des Hellseatic Festivals Bremen, die zu diesem Zeitpunkt, nach sowieso schon langem corona-bedingten Hin und Her, auch für dieses Jahr noch um das erste geplantes Stattfinden zittern mussten. Immerhin dieses Video machen.. Es stand auch im Zeichen des 25. Bandjubiläums der Band.
Das Konzert begann in vollkommener Dunkelheit – Mörsersounds donnern los.., die Musiker einzeln gefilmt, dezent (im passenden Hellseatic Blau) angeleuchtet, fast alle mit schwarzen Corona-Masken, was die Sache irgendwie noch gruseliger macht. Erst nach ca. einer halben Stunde klärte Sänger (Denny Schmidt) den Zuschauer auf: „Falls ihr euch wundert dass ihr bis jetzt nur einen Song kennt, wir sind heute hier um unser neues Album vorstellen das nächstes Jahr erscheint..“ Das Video war insgesamt 5 Tage online zu sehen und verschwand dann erst einmal wieder von der Bildfläche.
Nun, Im Dezember 2021 genau ein Jahr nach dem Video erschien es: das 6. Mörser Album „Thank you for leaving“. Und vorweg: Es ist Mörsersche Qualität. Die 14 Songs blasten, walzen und zerstören eigentlich wie üblich, fühlen sich dabei aber trotzdem nicht altbacken an. Das bekannte Double-Growling über schwermetall-lastigen Riffs, treibenden Blasts und verstörenden Breaks, lässt das Chaos vor sich hin mörsern und tut weh in der Seele. Die Lyrics drehen sich im Wesentlichen um die Auswirkungen der Abgründe der Welt auf den Hauptdarsteller, der irgendwo zwischen Leben und Tod, zwischen Stabilität und Wahnsinn gefangen zu sein scheint – mit negativer Tendenz. Zusammengefasst ist sicher, dass auch bei Mörsers 6. Album, weder Kompromisse, noch Anpassung oder gar Altersmilde zu befürchten sind. „Thank you for leaving“ ist eine energetische, ausgefeilte und neuartige Episode mörser´schen Krachs, die die Fans ebenso wie die Vorgänger begeistern wird. Für mich auch ein Beweis dafür, dass das Beharren auf Unangepasstheit und Eigenständigkeit (auch nach 26 Bandjahren) den vielleicht einzig brauchbaren Schlüssel für bleibende Innovationsfreude darstellt.
Und wie fühlt es sich an, wenn man nach 26 Bandjahren, das 6. Album herausbringt ? Denny Schmidt, (Voc. und Ur-mitglied der Band) erklärt dazu: „Das ist schon was besonderes für uns. Also nicht, dass wir auf 6 Alben gekommen sind. Da sind andere Bands mit Sicherheit produktiver als wir. Aber 26 Jahre zusammen zu bleiben und immer noch Bock auf Mörser zu haben ist für uns schon außergewöhnlich. Natürlich sind wir nicht mehr in der Urbesetzung, aber immerhin sind noch 4 Gründungsmitglieder dabei. Und die, die zwischendurch dabei waren oder inzwischen ausgestiegen sind, haben Mörser in ihrer Zeit auf ihre eigene Art und Weise beeinflusst.“
Eine lange Bandgeschichte, die sich inzwischen langsamer, aber gleichbleibend inspiriert weiterbewegt, auch wenn die Corona-Zeiten und die damit verbundenen Livegig Situation dieser Tage weniger zum Schwelgen einlädt: „Unser Traum ist eine Japantour.“ verrät D. Schmidt „Andre (Drummer bei Mörser – ist auch Mitglied bei CAROL-Anmerkung) war vor 2 Jahren mit Carol in Japan und hat dadurch guten Kontakt zu Naoki von Kowloon Ghost Syndicate. Leider ist es ja zurzeit nicht ganz so einfach so was zu planen. Mal sehen, was uns Corona dahingehend erlaubt… Am 22./23. April sind wir auf jeden Fall auf dem Stockrock-Festival und am 13./14./15. Mai auf dem Pitfest in Holland. Das darf gerne noch etwas mehr werden.“ Das hoffe ich auch für Mörser und für ihre Fans. Wenn man das erste Feedback zum Album (Fans und www.) aber richtig deutet, wird sich da bestimmt noch was auftun:„ Bisher sind die Leute schwer begeistert. Das sind dann aber eher private Rückmeldungen über Social Media Kanäle. Plattenreviews gab es noch nicht so viele. Das dauert ja immer ein bisschen, bis die Leute ihre Begeisterung in Worte fassen können“, scherzt der Sänger.
(Autor: Markus Schaedel)