Foto: Rockwark

ROCKWARK starten Bremisch-Ukrainisches Bandprojekt als Protest gegen den  Krieg

08.02.2023, Markus Schaedel

Lesedauer: 3 Min

Als Rockwark Gitarrist Martin Olding zwei Tage nach Kriegsbeginn in der Ukraine spontan und aus reiner Anteilnahme mit der dortigen Bevölkerung, die ukrainische Nationalhymne als Konzertgitarrenstück auf Instagram postete, ahnte er nicht dass dieses Video bald über 132.000 Kicks haben würde – fast alle aus der Ukraine.

In den bis heute über 600 Kommentaren zu dem Clip bedankten sich Ukrainer*innen für den Beistand aus Deutschland und berichteten teilweise auch über ihre aktuellen erschütternden Lebensumstände in den ersten Kriegstagen und -wochen.

Eine davon war Mari Cheba, eine in der Ukraine populäre Sängerin, die in Kiew lebt und mit der durch den Post nicht nur reger Mail Kontakt, sondern schliesslich sogar das Songprojekt „Oktober“ entstand, dass  sie schließlich zusammen mit der Band Rockwark in Bremen umsetzte.

Eventuell ist der Song, der den Krieg aus ukrainische und deutsche Perspektive beleuchtet, nun sogar der Auftakt einer allgemeinen Protestaktion gegen den Krieg.

1.Das Video

Als Martin Olding am Abend des 24. Feb 22 nach Hause kam und in den News von dem Angriff russischer Truppen auf die Ukraine erfuhr, war er entsetzt und sprachlos wie wahrscheinlich jeder an diesem Tag. Er erzählt: „Ich konnte mir einfach nicht vorstellen, dass so etwas in direkter Nähe, in Europa passieren könnte, vor allem da auch Putin die Lehren aus dem zweiten Weltkrieg gezogen haben müsste.Ich gönnte mir ein paar ruhige Momente, um die Situation zu überdenken. Ich fühlte ein klares: „Das kann nicht so bleiben!“; „Ich muss irgendetwas machen!“

Bei einer Internetrecherche über die Tagesgeschehnisse, begenete ihm irgendwann auch die ukrainische Nationalhymne. Er beschloss sie für Konzertgitarre zu arrangieren und das Ganze aufzunehmen.“Ich war fest entschlossen, sie als reinen Protest, vielleicht auch als Warnung über eine Insta-Promotion auf russische Städte zu verteilen. „sagt er.

Beim Auswählen der Städte für die Insta-Promotion benannte er zunächst Städte wie Moskau, Wladiwostok, Novosibirsk und weitere russische Metropolen. Erst später gab er auch ukrainische Städte wie Kiew und Odessa ein und  gerade von hier kamen die Reaktionen auf den Post, wie  er weiter erzählt: “Das russische Instagram funktionierte für eine Promotion anscheinend nicht mehr. Dafür war die Reaktion aus der Ukraine um so massiver.Ununterbrochen bekam ich Nachrichten von Ukrainern, die sich für die Unterstützung bedankten, sich teilweise wunderten, dass diese aus Deutschland kam.

Dabei erfuhr er teilweise auch kurze Geschichten, unter welchen Umständen sein Arragement gehört wurde. „Da war die Frau, die gerade im Bus aus Kiew heraus saß und der Bombardierung des Kiewer Flughafen durch russische Flieger zusehen musste. Mit dem Hören der Hymne sei sie zum ersten Mal seit ihrer Flucht wieder in der Lage gewesen zu Weinen.“ Nur eine von mehreren Herz zereissenden Geschichten der ersten Tage.

Instagram Post der ukrainischen Nationalhymne von Martin Olding:

2 Mari Cheba

Mari Cheba, eine populäre Profisängerin in Kiew sah das Video ebenfalls und schrieb Martin Olding direkt an um sich für seine Form der Anteilnahme zu bedanken. Es entstand ein regelmässiger Mailkontakt, wie M.Olding weiter berichtet.“Mari berichtete mir dann, wie das Leben in Kiew zur Zeit der dramatischen Bedrohung in den ersten Tagen der Invasion war. Allen dort war klar, dass alles, was die Ukraine ausmacht, Kultur, Sprache,Traditionen, ausgelöscht werden sollte. Das bestätigte sich in den besetzten Gebieten.

Um nicht einer Ohnmacht oder einer Resignation ausgeliefert zu sein, beschlossen wir ein gemeinsames Projekt. Eine ukrainisch-deutsche Kooperation erschien uns wichtig, um zum einen der Ukraine zu zeigen, dass sie nicht vergessen wird und zum anderen uns in Deutschland bewusst zu machen, dass wir nicht wegsehen dürfen (können).“

Das gemeinsame Projekt das eine Art „kultureller Front“ repräsentieren sollte (zumindest nannten es beide so) half Mari so zunächst vor allem an mentalen Tiefpunkten, an schlechten Tagen an dem Resignation sich in Kiew breit machte.

„Meine höflich quengelnden Anfragen, was der (zum Song „Oktober“ gehörende) Videoclipdreh denn gerade mache, brachte ihr immerhin hin und wieder das Gefühl, es gehe irgendwie weiter. In solchen Situationen heilsam..“ berichtet M. Olding.

3. „Oktober“

Es entstand schliesslich der Song „Oktober„ in Zusammenarbeit mit Rockwark Sängerin Karin ‚Schwattbunt‘ und später mit der ganzen Band Rockwark. (#) Dabei schreib sie ihren Teil des Textes (Lyrics) auf Plattdeutsch, Mari Cheba den Text für den Chorus auf ukrainisch.

Produziert wurde der Song dann im Oktober 2022 in Bremen – in M. Oldings Ton Studio, weil ein Besuch Mari Chebas in Deutschland zu der Zeit sowieso anstand.Seit Ende Dezember 2022 ist der Song überall streambar.

Inzwischen fast zwei Monate später, da das Songprojekt nach Aussage M. Oldings in Deutschland auch langsam Reichweite bekommt, ist er sogar auch zuversichtlich, was das benannte Ziel des evtl. gemeinsamen Protests von Künstlern (‚kulturelle Front‘) angeht.

„Mittlerweile schauen immer mehr Menschen hin und stellen Fragen ;-), eine Energie, die wir nicht unterschätzen dürfen. Vielleicht wird es noch was mit der Front!! ;-)“

Wünschenswert, weil wirklich ein Projekt das man unterstützen sollte; beweist es doch, dass man auch in diesen Zeiten nicht alles ohnmächtig akzeptieren muss, sondern dass man im direkten Kontakt mit Ukrainern unterstützen kann, sogar sollte und wenn es nur Anteilnahme ist. „Wir dürfen einfach nicht wegsehen“, meint nicht nur M. Olding, sondern auch die Ukrainerin Mari Cheba.

Stimmt – denn wer weg sieht schützt sich zwar,  wird aber auch solch positiven Geschichten nichts mitbekommen. Und nur die bringen die Europäer wirklich weiter. Aufeinander zu.

Markus Schaedel

(#) Ebenfalls Ende 2022 entstand im Zuge des Songprojekts mit M.Olding, der Song „Stop the World“ mit der Bremer Country-Pop Sängerin Ann Doka, der noch nicht veröffentlicht wurde.

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