ROCKWARK starten Bremisch-Ukrainisches Bandprojekt als Protest gegen den Krieg
08.02.2023, Markus Schaedel, Lesedauer: 5 Min
Als Rockwark Gitarrist Martin Olding zwei Tage nach Kriegsbeginn in der Ukraine aus reiner Anteilnahme mit der dortigen Bevölkerung, die ukrainische Nationalhymne als Konzertgitarrenstück auf Instagram postete, ahnte er nicht dass dieses Video bald über 132.000 Kicks haben würde – die meisten davon aus der Ukraine.
In den bis heute über 600 Kommentaren zu dem Clip bedankten sich Ukrainer*innen für seinen Beistand und berichteten teilweise auch über ihre aktuellen erschütternden Lebensumstände in den ersten Kriegstagen und -wochen.
So zum Beispiel Mari Cheba, eine in Kiew lebende und in der Ukraine sehr bekannte Pop- Sängerin. Es entstand ein reger Mail Kontakt und schliesslich, Monate später sogar das Songprojekt „Oktober“, das zusammen mit der Band Rockwark in Bremen umgesetzt wurde. Ein Song gegen die russische Invasion, für mehr Menschlichkeit und Verbundenheit. Eventuell ist der Song nun sogar der Auftakt einer allgemeinen Protestaktion von Künstlern gegen den Krieg.
Das Video
Als Martin Olding am Abend des 24. Feb 22 nach Hause kam und in den News von dem Angriff russischer Truppen auf die Ukraine erfuhr, war er entsetzt und sprachlos wie wahrscheinlich jeder an diesem Tag. Er erzählt: „Ich konnte mir einfach nicht vorstellen, dass so etwas in direkter Nähe, in Europa passieren könnte, vor allem da auch Putin die Lehren aus dem zweiten Weltkrieg gezogen haben müsste.Ich gönnte mir ein paar ruhige Momente, um die Situation zu überdenken. Ich fühlte ein klares: „Das kann nicht so bleiben!“; „Ich muss irgendetwas machen!“
Bei einer Internetrecherche über die Tagesgeschehnisse, begenete ihm irgendwann auch die ukrainische Nationalhymne. Er beschloss sie für Konzertgitarre zu arrangieren und das Ganze im eigenen Studio aufzunehmen.“Ich war fest entschlossen, sie als reinen Protest, vielleicht auch als Warnung über eine Insta-Promotion auf russische Städte zu verteilen. „sagt er.
Beim Auswählen der Regionen für die Aktion benannte er zunächst Städte wie Moskau, Wladiwostok, Novosibirsk und weitere russische Metropolen. Erst später gab er auch ukrainische Städte wie Kiew und Odessa ein und gerade von hier kamen die Reaktionen auf den Post, wie er erzählt: “Das russische Instagram funktionierte für eine Promotion anscheinend nicht mehr. Dafür war die Reaktion aus der Ukraine um so massiver. Ununterbrochen bekam ich Nachrichten von Ukrainern, die sich für die Unterstützung bedankten, sich teilweise wunderten, dass diese aus Deutschland kam.
Dabei erfuhr er teilweise auch kurze Geschichten, unter welchen Umständen sein Arragement gehört wurde. „Da war die Frau, die gerade im Bus aus Kiew heraus saß und der Bombardierung des Kiewer Flughafen durch russische Flieger zusehen musste. Mit dem Hören der Hymne sei sie zum ersten Mal seit ihrer Flucht wieder in der Lage gewesen zu Weinen.“ Nur eine von mehreren Herz zereissenden Geschichten dieser erschütternden Tage.
Mari Cheba
Mari Cheba, eine populäre Profisängerin in Kiew sah das Video ebenfalls und schrieb Martin Olding direkt an um sich für seine Form der Anteilnahme zu bedanken. Es entstand ein regelmässiger E-Mailkontakt, wie M.Olding berichtet.“Mari berichtete mir dann, wie das Leben in Kiew zur Zeit der dramatischen Bedrohung in den ersten Tagen der Invasion war. Allen dort war klar, dass alles, was die Ukraine ausmacht, Kultur, Sprache,Traditionen, ausgelöscht werden sollte. Das bestätigte sich in den besetzten Gebieten.
Um nicht einer Ohnmacht oder einer Resignation ausgeliefert zu sein, beschlossen wir ein gemeinsames Projekt. Eine ukrainisch-deutsche Kooperation erschien uns wichtig, um zum einen der Ukraine zu zeigen, dass sie nicht vergessen wird und zum anderen uns in Deutschland bewusst zu machen, dass wir nicht wegsehen dürfen (können).“
Das gemeinsame Projekt das eine Art „kultureller Front“ repräsentieren sollte (zumindest nannten es beide so) half Mari so zunächst vor allem an mentalen Tiefpunkten, an schlechten Tagen an dem Resignation sich in Kiew breit machte.
„Meine höflich quengelnden Anfragen, was der (zum Song „Oktober“ gehörende) Videoclipdreh denn gerade mache, brachte ihr immerhin hin und wieder das Gefühl, es gehe irgendwie weiter. In solchen Situationen heilsam..“ berichtet M. Olding.
„Oktober“
So entstand schliesslich der Song „Oktober„ in Zusammenarbeit mit Rockwark Sängerin Karin ‚Schwattbunt‘ und später mit der ganzen Band Rockwark. Dabei schreib K. Schwattbunt ihren Teil des Textes (Lyrics) auf Plattdeutsch, Mari Cheba den Text für den Chorus auf ukrainisch.
Produziert wurde der Song im Oktober 2022 in Bremen – wieder in M. Oldings Ton Studio, weil ein Besuch Mari Chebas in Deutschland zu der Zeit sowieso an stand. Seit Ende Dezember 2022 ist der Song nun überall streambar. Er bringt die Unsinnigkeit dieses,wie jedes anderen Krieges anhand der Lebensumstände in der Ukraine auf den Punkt.
Inzwischen, fast zwei Monate später ist M. Olding aufgrund der Tatsache dass der Song auch in Deutschland langsam Reichweite bekommt, zuversichtlich, was das benannte Ziel des evtl. gemeinsamen Protests von Künstlern (‚kulturelle Front‘) angeht.
„Mittlerweile schauen immer mehr Menschen hin und stellen Fragen ;-), eine Energie, die wir nicht unterschätzen dürfen. Vielleicht wird es noch was mit der Front!! ;-)“
Wünschenswert, weil wirklich ein Projekt das man unterstützen sollte; beweist es doch, dass man auch in diesen Zeiten nicht alles ohnmächtig akzeptieren muss, sondern dass man im direkten Kontakt mit Ukrainern unterstützen kann, sogar sollte und wenn es nur Anteilnahme ist. „Wir dürfen einfach nicht wegsehen“, meint nicht nur M. Olding, sondern auch Mari Cheba.
Stimmt – denn wer nur weg sieht mag sich zwar selbst schützen, wird aber auch solch positiven Geschichten nichts mitbekommen die wirklich wichtig sind. Und nur die bringen die Europäer wirklich weiter: aufeinander zu.
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