22.01.2023, Markus Schaedel, Lesedauer: 5 Min
Eigentlich hatten wir ja gerade erst ein Interview mit Laturb. Aber wenn sie schon im Rahmen ihrer Debüt-Album Promo-Deutschlandtour keine 15 Fahrradminuten von der eigenen Haustür im Alhambra Oldenburg auftreten ist klar: Da muss ich einfach hin und nen kleinen Konzertbericht schreiben.
Das Alhambra (Weblink) in Oldenburg ist mit seiner Geschichte als „Rote Burg“ und zugleich Konzert- und Party Location irgendwie der passende Ort für einen Laturb Gig. Gemütlich ists hier, anarchisch-rustikal, wie das Molotow in HH oder ähnliche Läden – mit düsterem Holzambiente, uralten Aufklebern übersäht, Deckenbalken und punkigem Klientel – auch wenn bis jetzt – kurz nach halb acht noch recht wenige Leute eingetrudelt sind.
Wahrscheinlich jeder Oldenburger kennt diesen Laden. Als selbstverwaltetes Aktions-und Kommunikationszentrum, wie es sich selbst nennt ist es seit Ende der 70-er Jahre, auch für politisch aktivistische Aktionen, Gruppen und Veranstaltungen bekannt. Von Antifa über Gender, Flinta bis Klimaschutz kann sich hier jeder wirkungsvoll engagieren und vernetzen. Durch seine Konzerte und das jährliche internationale Punk Festival „Kill the Plastic Smile“ ist es aber wohl vor allem eins: PUNK !
Genau wie Laturb. Oder ? Naja – attitüden-technisch wenigstens. Praktisch sind die 3 sympatischen Synthie Spass Popper seit ihrem Albumrelease „All work and no play“ (2022) vor allem fast durchweg auf Tingel-Tour durchs ganze Land, halb in Eigenregie, halb profesionell gebooked. Über 30 Gigs warens im letzten Jahr (2022). Das hat schon was von Ochsentour – erste anekdotentaugliche Erlebnisse inklusive. So blieb man z.B. nach einem fragwürdigen Wendemanöver mit dem Fahrzeug stecken und musste erstmal Abschlepphilfe im nächsten Dorf suchen. Nur Dank eines gewissen Bauer Manfred´s Hilfe schaffte man es schliesslich doch noch pünktlich zum nächsten Soundcheck.
Aber wann spielen sie bloss heute Abend hier ? Ich war zum Einlass um 19.30 da, auf dem Flyer stand nur die Einlasszeit. Am Eingang Corona Test, ich mache noch ein paar Fotos draussen, frage dann die nette Frau am Einlass. „Zuerst kommt die Lesung.“
Lesung und Annie Anyway
20.30 – Uhr Ronja Schwikowski vom Plastic Bomb Magazin stellt ihr Buch „Punk As F*ck – Die Szene aus FLINTA-Perspektive“ vor. Im Vortrag geht es u.A. um das Buch, das autobiografisch aber humorvoll ihre, als Jugendliche eigentlich ernste Selbstfindungs Lebensphase darstellt, in der sie auf der Flucht vor den starren Zwängen des Elternhauses als Punk im Ruhrgebiet unterkommt um schliesslich auch innerhalb dieser Szene an die gleichen patriachialen Grenzen zu stossen. Sehr interessant und regt wirklich zum Nachdenken über soziale Strukturen an.
Danach spielen Annie Anyway (FB-Link) aus Hamburg, die alle Facetten des authentischen Punkrocks beherrschen, aber hauptsächlich drum herum und quer durch alle Lebensprobleme spielen, – wodurch ich sie erst so richtig interessant finde – um gegen Ende ihres Gigs schliesslich energie- und geschwindigkeitsmässig doch noch so durch die Decke zu gehen, dass sich hier fast die Holzbalken biegen – Yes ! (Das war mir glatt eine Spotify Verlinkung -siehe auch Einbettung hier drüber- wert)
LATURB
Es ist schliesslich schon kurz nach 11 als Bühnen Nebel sich legt und das Keyboard intro von „River„ ertönt. Los geht’s.
Aber was ist hier eigentlich los ? Das Klientel, hauptsächlich junge Flintas, ist sofort voll da als sich der Song langsam zum Dancetrack hochschaukelt – in bester Partylaune am grooven und feiern. Das nennt man dann wohl Fanbase. Laturb Fans wissen anscheinend schon, was sie hier erwartet.
Und die 3 wirken on Stage eigentlich genau so wie man es sich vorgestellt hat. Anne im trashigen Glitzerkleid, meist mit Gitarre, bedient sich in ihrer Gesangperformance oft auch artistischer Momente oder varitetehafter mimisch und gestischer Clownerie. Cordel, heute eher im Couchpotatoe-Look performed durch Tanz, Pose, hin und wieder Glockenspiel, aber vor allem durch ihre soulige Powervoice, die auch live absolut überzeugt.
Tim zieht so gut wie alle musikalischen Strippen im Hintergrund inklusive Backingvocals.
Insgesamt sieht man ihnen an, dass sie aber einfach ihren Spass haben. Genau wie dem Publikum.
Und auch wenn sich zunächst kleinere monitor-technische und Gitarren Saiten reissende Problemchen ergeben, sie gehen in der allgemeinen Feierlaune unter.
Sinnkrise Sinnkrise, aber scheissegal.. kennt man auch schon gut und ist der zweite Song, der genau wie „Me and Peaches“ die Leute auf LATURB-Feeling einstimmt.
Das heisst etwas von allem, das eigentlich jeden aktuell beschäftigt, nur mit Pippi Langstrumpfigem Esprit und variete-ähnlichem Programm vorgetragen. Das macht erwähnten Spass, auch wenn dabei im Grunde nie wirklich improvisiert wird. Und wozu auch ? Allein die Songs sind unterhaltend genug. Ob ernsthaft-lebensnah wie „Scared“, schon fast hitverdächtig schwingend wie „Electricity, Baby!“, 80-er Jahre Emo-soundlastig wie „Tour de Frank“ , fröhlich-fruchtig-poppig wie „Carmela“ oder mit feministisch-rotziger Punk Attitüde wie „24 Hours – Pt.2“. Laturb bieten das volle Brett lebensnah groovender Popmusik.
Die Performance rundet wie eine Stellschraube spass-orientiert ab und lässt Ernstes oder sozial Kritisches auch nicht zu ernst werden. Songs wie: irgendwas mit..Sexistische Kackscheisse.., in Bademänteln vorgetragen, werden so z.B. zur Party-Pose, zum reflektierten Abfeiern über das eigentlich ernste Thema.
Bei „In the Meantime“ fliegen Wasserbälle durchs Publikum und der Song mit seiner sozialkritschen Note vor allem um die Themen Arbeit und Ausbeutung ist gefühlt sogar der Hit der Crowd hier.
Ich muss zugeben, dass ich das Konzert, genau wie den ganze Abend auch echt super finde, bin ja eigentlich eher Rock- oder grungelastiger orientiert, aber Laturb überzeugen hier insgesamt – auch weil sie sich nicht verstellen und mit ihren künstlerischen Backgrounds authentisch walten. Sie machen aus allem ihr eigenes Ding – und das ist schlussendlich insgesamt positiv und trotzdem noch böse genug um Mutti zu ärgern.
Allein was hier so alles rumliegt auf der Bühne: Konfetti, Klamotten, ne durchgebrochene Freilandgurke, ein Buch, Trinkbecher, Wasserbälle, ein Riesen Plastik Fisch (wann kam der noch zum Einsatz ?) und eine vorsätzlich mit Bier vollgesudelte Stand-Tom- Kinder, wer soll das jetzt wieder aufräumen ?!
Gegen 12, nach nicht mal einer Stunde soll dann aber eigentlich schon Schluss sein, wie Anne plötzlich erschrocken feststellt: „Oops, wir haben jetzt ganz vergessen euch zu sagen, dass dass schon unser letzter Song war..“
Die zwei Zugaben, die dann wohl doch noch geplant waren, davon ein Song mit „..Nachbar..“ den ich nicht kenne, werden dann um so herzlicher abgefeiert bis sich ein in „Auf Wiedersehen..“ umgetexteter „24 Hours – Pt.1“ doch nicht als Auftakt eines weiteren Songs, sondern als musikalische Schlussanekdote entpuppt.
Und das wars dann schon.. Das Licht ist aus und der Nebel schwindet, die Leute hier hätten gefühlt noch locker ne Stunde weiter feiern wollen aber naja..man soll gehen wenns am schönsten ist.
Outtro
Und was bleibt von diesem Gig ?
Vielleicht die Erkenntnis dass sich das 2019 selbst auferlegte Vorhaben der drei, mal berühmt zu werden als gar nicht so unrealistisch herausstellen könnte.
Warum ? Weil sie authentisch sind, ihre Musik mitnimmt und noch etwas viel Wichtigeres. Sie haben zu hundert Prozent ihren Spass !
Und in der Rock- und Popmusik ging es schon immer hauptsächlich darum, „trotz dem ganzen Sch..“ seinen Spass zu haben ! Ob Elvis, Beatles, Stones, Maiden oder sonstwer – der Punkt an dem die Sache erst richtig Spass macht ist die selbstbewusste Rebellion gegen das nervig Bestehende – aktuell ist das wohl unter anderemwieder einmal die Unterdrückung der Einen durch Anderen, egal ob in Form von Ausbeutung, Sexismus oder anderen Diskriminierungsvarianten Same old Bullshit eben.
Laturb taugen so am Ende als ausgestreckter Mittelfinger der Flintas, der zu sagen scheint: Solange ihr noch überlegt, was Gleichberechtigung praktisch ist, feiern wir unsere Party – aber wenn ihr wollt, könnt ihr gerne rum kommen und mit feiern denn so einfach kann das alles sein.
Und wers so klar blickt und so selbstbewusst zelebriert, dem sollte die Zukunft gehören.
Tourdaten LATURB 2023
25.02. // Komplex // mit Guts Pie Earshot / SCHWERIN
16.03. // Sandershaus /// KASSEL
17.03. // Slow Club // FREIBURG
18./19.3. tba //// SCHWEIZ
25.03. // Can Mas Deu // BARCELONA
21.04. // Bierschinken Festival // DORTMUND
19.05. // Raum 2 //// NEUTRAMM
20.05. // Gasthof Meuchefitz // MEUCHEFITZ
15./16.9. // BRUCCA! Festival /// KALBE
Unterstütze Bandliste Bremen (Lokales Bandmagazin) mit einer Paypal Spende: